SEGELCLUB
DEGGENDORF

Das ist keine leichte Situation mich

So dachte ich, als die Idee eines Überführungstörns für den Herbst 2012 geboren wurde.
Wieder war eine 1000m-Race bei ECKER im Mittelmeer organisiert worden und eine Gruppe unseres Vereins wollte danach ein Schiff in den Heimathafen überführen.
Noch war die Crew nicht klar, noch gab es kein Schiff und schon wollte ich dabei sein. Aber kann ich zwei oder drei Wochen an Bord einer Nussschale ohne meine Söhne überstehen? Kann ich die jungen Burschen so lange mutterseelenallein lassen? Kann ich mit lauter Männern an Bord so lange unterwegs sein?
Als mir bewusst wurde, dass der „Große“ ja dann schon volljährig sein würde und die Versorgungslage damit zuhause gewährleistet sein sollte, beschloss ich, mit an Bord zu gehen.
Nun ging es also an die Zusammenstellung der Mannschaft. Mit mir waren Hans und Manfred sofort fest dabei, unseren Wunschskipper Harald hatten wir auch schnell „überredet“ und Hermann schloss sich ebenfalls rasch an.
Damit waren wir zu fünft. Nach einem harten Kopf-an-Kopf-Rennen vervollständigte Sigi aus Österreich unser Team.
Im Januar war dann offensichtlich, dass der Ausgangshafen für uns Rückführer Alanya statt Zypern, Beirut oder ElAlamein sein würde.
Unser Schiff war auch gefunden, es sollte nach Lefkas gefahren werden.
Die ersten Törnbesprechungen verliefen harmonisch, die Funktionen an Bord waren bald verteilt:
Harald – Skipper
Hermann – Co-Skipper und Kassier
Hans – Navigator
Manfred – Smut
Andrea – Schiffsärztin
Sigi – hmmm, was macht er? Als Österreicher internationalisierte er die Crew und war schnell zum Quotenausländer erkoren.

Mit Hermann war ich schon 2004 zwei Wochen unterwegs gewesen. Wir würden uns gut verstehen. Harald war damals auf dem Nachbarschiff, das wäre bestimmt auch kein Problem. Hans und Manfred sind ein Team seit dem Kindergarten, seit Jahren mit mir bekannt…. Gute Freunde.
Mit Sigi war ich im Frühjahr eine Woche auf der Adria unterwegs, es waren herrliche Tage gewesen, ich freute mich auf ein weiteres Segelabenteuer mit ihm.
Nachdem ich im April schon eine Woche lang die Jungs allein zuhause gelassen hatte, um mit Sigi und drei weiteren Freunden zu segeln, war auch die Generalprobe „Kinder“-Allein-Daheim mit Bravour gemeistert worden, und ich konnte alle Bedenken über Bord werfen.

Im Frühjahr erhielten wir aber eine enttäuschende Nachricht von ECKER: unser Schiff, die EMILIA, sollte nicht mehr in Griechenland, Lefkas, verchartert werden, sondern in der Türkei bleiben und nur noch bis Kusadasi überstellt werde. Das war praktisch eine Halbierung unseres Törns.
Krisensitzung und Diskussionen, eine neuerliche harte Preisverhandlung und die Tatsache, dass es ab Lefkas im November keine Flüge nach Hause geben würde, machten uns das neue Ziel schmackhafter.
Also trat keiner von der Reise zurück, alle wollten die türkische Küste gemütlich entlang segeln und einen Törn mit kulinarischem und kulturellem Augenmerk genießen.

Der Sommer verging langsam, Bedenkenträgerinnen in meinem Umfeld wurden lauter und meldeten immer öfter ihre Sorgen an, die ich alle anhörte, die mich aber nicht erreichten, und urplötzlich war es Oktober und dann auch der 28.10. – Abreisetag.
Hermann hatte einen Transporter organisiert, der uns und unser Gepäck, das trotz Nutella, Salamistangen, Schinken, Laptop, 12V-Transponder und vielen Klamotten kein Übergewicht auf die Waage brachte, nach Salzburg bringen sollte.


Die Fahrt verläuft problemlos, auch der Abschied von zuhause war ohne Dramen überstanden. In Salzburg sind wir relativ früh und kommen auch sofort am Check-in an die Reihe.
Bei der Passkontrolle aber wird zuerst Manfred und dann alle anderen blass:
Er hat nur einen Pass dabei, dessen Gültigkeit anno domini 2009 abgelaufen war.
Es bleibt nur eine einzige Chance, dass er noch mitfliegen kann: Helga muss ihm den zuhause gelassenen aktuellen Reisepass nachbringen. Sie steigt ins Auto.
Wir warten, warten, warten, trinken Kaffee, rauchen…
Da klingelt bei mir das Handy: Jonas ist dran. Sie hängen auf dem Weg nach Südtirol in Imst fest: Auffahrunfall….
Jetzt werde ich noch blasser.
Die Jungs sind mit dem Landrover Defender einem VW-Bus aufgefahren. Klarer Fall… Den Jungs und dem Jeep fehlen nichts, der Bus…na ja.
David ist die Lust am Abenteuer vergangen – sie brechen das Unternehmen Südtirol im November ab.
Inzwischen wird bei uns am Airport die Zeit knapp, wir müssen durch die Sicherheitskontrolle und Manfred einsam zurücklassen.
Plan B entsteht in unseren Köpfen: Nachfliegen, Abholen am Hafen von Antalya…
Der Flug hat Verspätung.
Helga kommt nach einer unglaublichen Fahrt von 80 Minuten am Flughafen in Salzburg an, heil und unversehrt, mit Pass!
Manfred passiert als letzter die Sicherheitskontrollen, Boarding, Abflug.

Nachdem wir im Schneefall Bayern verlassen hatten, hüllt uns bei Ankunft in Antalya ein warmer sanfter Abendhauch von gut 20°C ein. Durch eine sternenklare Nacht und bei Vollmond fahren uns zwei Busse zur gut eine Stunde entfernten Marina von Alanya. Beim Einladen des Gepäcks fallen uns viele Weißhaarige und Bärtige Reisegefährten auf, man glaubt auf einem Rentner-Ausflug zu sein…
An der Marina stürmen die Skipper das Büro, um die Liegeplätze der Yachten in Erfahrung zu bringen. Ich bleibe mit Sigi, Manfred und Hermann beim Gepäck, während Hans ungeduldig zum Steg stürmt, um EMILIA in Augenschein zu nehmen.
Die Grillen zirpen ohrenbetäubend, ein würziger Südduft hüllt mich ein. Ich muss eine der mitgebrachten Zigis entzünden.
EMILIA liegt am Steg D und ihre Papiere mit Transitlog werden nicht vor Montagnachmittag geliefert werden. Wir haben also Zeit und müssen außer Schiffsbezug nichts mehr tun, können uns einem Abendessen widmen.
Der Stützpunktleiter Andreas empfiehlt uns ein Restaurant nahe der Marina mit Blick auf die Masten. Dort werden wir schnell zwangs-entschleunigt, denn das Essen lässt LANGE auf sich warten. Getränke sind TEUER, aber der Weißwein mundet sehr. Die meisten von uns bestellen ein Kebab, das in Lavasteinen serviert wird, das zwar nicht so rot glühend wie Lava, aber so heiß ist.
Der Abend und Tag klingen bei LaPaloma und Gelächter aus, wir gleiten in den neuen Tag.
Die Nacht ist heiß und kurz.
Noch vor Sonnenaufgang singt der Muezzin sein Lied, das mich mitreißt in die orientalische Welt.

Die Sonne steht um 7.00Uhr am blauen Himmel, es ist warm, eine angenehme Brise streichelt die Haut.
Hans ist als Bettflüchter schon nach Alanya aufgebrochen – Semmeln, Butter, Marmelade, Milch und Orangensaft holen. Kaffeepulver hat uns die Vorgängercrew zusammen mit ein paar anderen Grundnahrungsmitteln an Bord gelassen. Hinwärts gabelt ihn ein Bus auf, rückwärts erbarmt sich ein Motorradfahrer und setzt ihn am Marinator ab.
Die morgendliche Dusche verscheucht den Rest von Müdigkeit, das Design ist ansprechend, die Zustand leider sehr schmutzig.
Bei Licht betrachtet stelle ich fest, dass das Luk der Bugkabine gebrochen ist und nur notdürftig mit Isolierband verklebt. Nasse Kojen sind also garantiert, wenn da nix geändert wird. Manfred inspiziert die Sache und stellt fest, dass das Luk der Fenderbox identisch ist und so werden die beiden von Andreas ausgetauscht.
Um 10.00Uhr starten Hans, Manfred und ich zum Einkauf nach Alanya. Vorher möchte ich noch ein paar türkische Lira tauschen und bekomme Euro von Automaten. Ich hatte die falsche Währung getippt.
Nach gut 1,5km Fußmarsch nimmt uns ein Taxi mit.
Im Zentrum der Stadt kaufen wir binnen einer Stunde alles Nötige ein. Bier und Wein nehmen einen gigantischen Kostenposten ein! Schnaps oder Campari sind praktisch unerschwinglich, wir entscheiden uns dagegen.
Für den Rückweg haben wir ein Taxi geordert. Bei mir läuft der Kreis nicht so recht, es ist schwül-heiß….daheim fällt Schnee!
Das Leben ist schön!
Manfred kocht zu Mittag Fleischpflanzerl und Kartoffelstampf. Köstlich!
Um 13.30Uhr kommen Hans und Harald mit den Papieren und dem Transitlog, um 14.00Uhr laufen wir aus.
Erst werden unsere Nerven aber noch auf eine Probe gestellt: der Motor stirbt noch in der Box ab!
Die Jugend an Bord hat geforscht und auf der Suche nach dem Gashahn im Skipper-Kajütchen den Dieselhahn abgedreht!
Harald erklärt daraufhin seine Koje zum Sperrgebiet.

Endlich geht es hinaus aufs spiegelglatte, tintenblaue Meer, das im Sonnenlicht goldene Flecken bildet, denen wir auf Kurs 253° folgen.
Der erste und größte Schlag liegt vor uns: nach Kas. Die Bucht von Antalya an steuerbord lassend geht um 17.00Uhr die Sonne unter. Ich lege mich etwas in die Koje und schlafe, denn von 20.00 bis 1.00Uhr haben Sigi und ich Schicht, und um 6.00Uhr bin ich dann schon wieder an der Reihe. Mir gelingt auch ein Nickerchen.
Die Nacht beginnt ohne Wind, aber Vollmondlicht, das eine silberne Straße aufs Meer zeichnet. Herbert, der Autopilot, steht am Ruder. Wir schauen in die Nacht. Entdecken immer wieder die Positionslichter der anderen Schiffe auf dem Weg nach Kas. Ab und an überholen wir eines oder werden passiert.

Um 1.00Uhr lösen uns Hermann und Manfred ab. Sie verbringen die Nacht bei Cola und Bier und verputzen einen kompletten Schinken. In den Morgenstunden frischt der Wind auf, Segel werden gesetzt. Davon aufgewacht spüre ich zunehmend die ruppiger werdende See. Die Übermüdung und das NICHTS-sehen lassen Übelkeit und Hitze hochsteigen. Um 5.00Uhr klebe ich mir ein Pflaster und stürze mit Superpeb zwischen den Zähnen an Deck.
Gegen 9.00Uhr erreichen wir den Stadthafen von Kas, der mit den bereits eingetroffenen Yachten überfüllt ist. Wir müssen weiter, die Huk umrunden, um in der Marina Kas festzumachen.

In unserem Rücken braut sich ein kräftiges Gewitter zusammen. Trotz Eile gelingt es uns nicht rechtzeitig am Steg zu sein: der strömende Niederschlag, eine Mischung aus Hagel und Regen durchnässt uns vollständig beim provisorischen Festmachen am Gullet-Anlieger. Ich ziehe mir vorm Niedergang die klatschnasse Hose aus und erhalte sofortiges Striptease-Verbot vom Skipper.
Harald ist also auch der Moral-Beauftragte des Schiffes!
Er meint dazu: Das ist keine leichte Situation für mich!

Nachdem wir uns alle etwas erholt und getrocknet haben, machen wir uns auf den Weg in die Stadt Kas.

Es ist mir noch von 2004 bekannt. Das Städtchen hat einen sehr orientalischen Charme mit den Holzerkern an den mit Holzschnitzereien verzierten Balkonen. Waren dahinter mal der ein oder andere Harem…wir können hier nur Vermutungen anstellen. Auffällig ist, dass im Straßenbild, anders als in Deutschland und vor allem Berlin, kaum Kopftücher bewährte Frauen erscheinen.
Als erstes führt unser Weg uns nach dem Stadthafen, wo wir auch auf viele Crews treffen, die alle mehr oder minder verzagt und entnervt in ihren Cockpits hocken und aufs Ausklarieren warten. Keine kommt weg, weil überall ein Papier fehlt und der Hafenkapitän pro laufendem Schiffsmeter deshalb 20 US Dollar fordert. Das Geld sollen sie laut ECKER, so erfahren wir von einer bekannten deutschen Crew unter Skipper Willy, nicht locker machen, sondern die Sache aussitzen… Na, dann viel Spaß!
Hermann berichtet Willy, dass auch in der Marina Ausklarieren möglich ist, und die dortigen Crews keine Probleme hätten. Da werden die Männer der ARION nervös und fragen uns Löcher in den Bauch. Hans kann einfach nicht schwindeln und so fliegt der Spaß auf.
Uns macht das alles keine Sorgen, denn wir müssen die Türkei ja nicht verlassen! Wieder ein Grund, froh zu sein über unseren verkürzten Törn!

Wir lassen uns durch Kas treiben, trinken türkischen Mokka, bummeln durch den Basar. Ich finde einen schönen Bernsteinring, den Hermann ganz lapidar als Spenglerarbeit bezeichnet. Für mich und meine Bedürfnisse aber genau das richtige. Nach kurzer Verhandlung erstehe ich ihn für ein paar türkische Lira. Durch diesen Einkauf verlieren Sigi und ich die anderen, die schon zur Marina voreilen und unter die Duschen streben.
Auf dem Rückweg kaufe ich noch ein paar Bananen, die uns schon wieder ausgegangen sind.
Wieder in der Marina treffen wir Harald und Hermann, die „senior executives“ beim Bier und 4-Augen-Gespräch. Wir setzen uns dazu, stören damit die Zweisamkeit der beiden, aber das macht ja nix.

Sigi schließt sich mit einem Bier an, ich wähle einen Raki mit Eis und Wasser. Das wird mein Standardgetränk in den Lokalen, der räumt den Magen auf und erinnert mich fast täglich an den Geschmack Syriens…
Da die exekutive Ebene beschlossen hat, die marinanahen Lokale durchzutesten, um herauszufinden, wo das Efes am besten schmeckt, haben sie zum Zeitpunkt des Abendessens KEINEN Hunger mehr und die operative Ebene begibt sich ohne Chefs erneut in die Stadt.
Wir finden ein schönes Lokal und genießen im Freien unter dem türkischen Sternenhimmel ein wunderbares Essen ( Fischplatte, Grillplatte, Hähnchenspieß ) incl Hüftgold in Form von Baklava oder Schokoladencrepes.
Ich fühle mich irgendwie erschlagen, habe Halsschmerzen und fürchte eine heraufziehende Erkältung…
Um 23.00Uhr geht’s in die Kojen, in die Harald und Hermann schon vor Stunden gesunken sind.

Wir schreiben den 31. Oktober des Sternenjahres 2012, Harald hat Geburtstag!
In der Nacht hat der Wind in den Wanten geheult und für Schwell bis in die Marina gesorgt. Nach Dusche und Frühstück laufen wir um 9.30Uhr aus, unser Ziel ist Gemiler oder die Kaltwasserbucht. Dies hat die Führungsriege gemeinschaftlich, ohne die operative Ebene einzubeziehen, beschlossen. Wir fordern dringend, an der Verbesserung der Kommunikation zu arbeiten!
Sigi hat in seinem IPhone ein sehr gutes WetterApp und macht uns morgendlich die Vorhersage. Damit ist er vom Quoten-Ausländer zum Wetter-Futzi geworden und hat eine nicht zu unterschätzende Position inne.
Für heute ist die Wetterlage ein bisschen unklar: Wolken und Sonne, Regen bis Gewitter. Wir müssen uns überraschen lassen.

Nach verlassen der Bucht haben wir bei Bewölkung gute Sicht, Seegang um 3, Wind 3-4Bft, wir fahren Schmetterling und installieren einen Bullenstander, damit das Groß stressfrei gefiert fahren kann. Ab 11.00Uhr ist der neue Windkurs „Halber Wind“ und wir rauschen bei angenehmen 5-6kn dahin. Den Vormittag über sind Hans und Hermann Schichtführer, ab 12.00 Uhr übernehmen Manfred und Harald. Hans, der Navigator, nimmt seine Aufgabe sehr ernst und taucht nur sporadisch an Deck auf, um dem Rudergänger den neuen, korrigierten Kurs zuzurufen: „3° MINUS!“
Die Entscheidung Gemiler – Kaltwasserbucht – areal ist klar, aber welche von den vier Möglichkeiten dort?
Wir wollen alle anfahren, und dann entscheiden. Die Kaltwasserbucht ist die erste, da Hans aber auf dem Laptop die Karte ins Unendliche zoomt sieht er nur Untiefen und hält die Bucht für nicht befahrbar. Meine Einwände: Ich war schon ZWEIMAL dort! Spielen keine Rolle.
Also drehen wir ab, passieren die Gullet-Anleger und die Sandbucht und enden an Muringbojen vor dem Restaurant von Gemiler. Der heranbrausende Boy garantiert uns Abholung nach Pfiff.

Nach einem herrlichen Bad im 26°C warmen Wasser und einer Entsalzungsdusche machen sich alle landfein zu Haralds Geburtstagsessen.
Nach einem guten türkischen Essen folgt ein herrlicher Abend an Deck bei Gelächter, Wein, Bier, Gesang aus dem Laptop und … Quoten-Weib…

Es soll Menschen geben, die packen heute den Pelzmantel aus – WIR springen vorm Frühstück ins Meer! Für mich kommt ersteres sowieso nicht in Frage, was nicht allein am Mangel des Pelzmantels liegt.
Nach dem Bad also Frühstück mit dem frisch gebackenen Brot vom Restaurant. Per Dingi fahren Hans, Manfred, Sigi und ich dann auf die Ruineninsel. Ein bisschen Kletterei bringt uns zu einer frühchristlichen Kirchenruine, Zisternen, wir finden alte Rundbogenfenster, Gräber mit uralten verblassenden Fresken und ein altes Leuchtfeuer.

Der Ausflug hat sich wirklich gelohnt, da auch der Ausblick auf unsere Bucht grandios ist.
Nachdem unser Dingi wieder bei der EMILIA angekommen ist, bilden Hermann, Harald und Hans, der Dingi-Kapitän, Team 2 der Expedition. Während sich die operative Ebene wohl fühlt. Sind die Senior Executives etwas katerig. Nur so ist es verständlich, dass Harald mit Pantoffeln auf die Ruineninsel will. Ich warne ihn und schließe meine Empfehlung für festes Schuhwerk mit „ I moan’s da ja bloß guat!“
Hermann möchte noch wissen, ob sich die Plagerei rentiere. Wir alle bestätigen, dass er es bereuen wird, nicht dort gewesen zu sein, wenn er erst mal die Fotos sehen würde.
Wieder zurück meint er, dass er ja schon wusste, dass ich mit wenig zufrieden bin, aber dass ich für fast NICHTS zu begeistern wäre, sei ihm neu gewesen…
Die Zeit beginnt mir zu zerrinnen. Ich weiß nicht mehr, welche Stunde schlägt, es ist dunkel oder hell, mehr interessiert mich nicht. Meer ist um mich rum, das Schiff wiegt mich im Wachen und im Schlafen, nur das zählt.
Irgendwann lösen wir uns von der Muringboje und nehmen Kurs auf die Boynuzbükü-Bucht im Golf von Fethiye.
Es ist ein bewölkter Tag, aber warm. Wir befahren das Gebiet, in dem 2006 zahllose Wasserhosen unseren Kurs kreuzten. Heute ist alles friedlich.
Wir haben Segel gesetzt, Harald liegt auf dem Dingi und dem Vordeck.
Plötzlich sprintet er ins Cockpit, korrigiert den Kurs und die Segelstellung und stellt fest: „Kaum geht der Skipper aufs Vordeck, werden kaum wieder gut zu machende Fehler begangen!“
Unser Ausnahme-Skipper schaut wirklich auf unser Wohl!
Der Nachmittag gleitet dahin wie wir auf dem Meer. Gegen 16.00Uhr erreichen wir unser Tagesziel und legen mit Muring und Heckleinen am Schwimmsteg an. Kaum angekommen besichtigen wir die Örtlichkeit und sehen uns gezwungen, beim Wirt ein – MEHRERE – Bier zu verkosten. Ich bleibe wieder einmal beim Raki. Als die Sonne immer tiefer wandert, werden die Mücken aktiv. Eine wahre Plage! Der Wirt spendiert „Mückentot“ für die Haut und setzt eine Giftrauch-Maschine in Gang. Das wird mir zuviel, ich gehe zurück zum Schiff und springe ins Wasser, um mir das Gift abzuwaschen. Inzwischen ist es stockfinster, aber als ich im Wasser eintauche, beginnt das Meer um mich in tausend Lichtpünktchen zu leuchten. Algenblüte… ein Wunder der Natur. Ich darf wieder einmal durch diesen Traum der Meeresnacht schwimmen…

Manfred und ich sitzen dann an Deck, genießen den Abend und unterhalten uns, bis die anderen kommen. Dann kochen wir gemeinsam ein Menü aus Resten: Kartoffeln, Spaghetti mit Ei, die restliche Bolognese Sauce, sowie den Hafen-Hai, respektive die Hafen-Brasse von Manfreds Angel.
Alles wird verputzt, nur Hans isst nichts, er habe keinen Hunger!
Als Dessert gibt’s Schokolade, a Gwutzelte und Merlot aus der Türkei. Bei Musik vom Feinsten, für die Harald sorgt, philosophieren wir über Gott und die Welt, lassen den Tag Revue passieren und stellen dankbar fest, dass wir ohne unseren Navigator Hans, schon längst auf einer der unzähligen Untiefen vor der türkischen Küste stecken geblieben wären.
Hermann gesteht, dass er von fiktiven Beträgen in seiner Kasse praktisch umgebracht wird, weshalb wir schleunigst für Bares sorgen.
Vielleicht schläft er deshalb im Salon, um nah bei der Kassa zu sein?

Es ist Freitag, der 2.November.
Wie immer ist Hermann der erste, er leidet am meisten unter Bettflucht und „stört“ mit der Suche nach seinen Zigaretten. Um 9.00UHR gelingt uns das Auslaufen mit Minimalfrühstück, weil wir nur noch wenig zum Essen haben. Deshalb führt uns der Weg zunächst nach Göcek zum Bunkern von Diesel – die Tankuhr zeigt nach etlichen Motorstunden noch immer VOLL an und das wirft schon einige Fragen auf… - und natürlich Futter, Festes und Flüssiges.
Um 10Uhr liegen wir mit Heckleinen an der Tanke und füllen 75 l für 150 € (!!!!!) nach knapp 30 Motorstunden in die Bavaria.
Danach verholen wir uns etwas und müssen für einen halben Tag Liegen in der Stadtmarina 20TL zahlen.
Göcek ist so schön wie vor 8 Jahren: der Anlegesteg der PUPA-Marina in mitten der Stadt, die blühenden Bougainvillien, die Cafes und Restaurants mit den Korbstühlen praktisch am Pier.

Wir holen Geld, kaufen nach der erstellten Liste ein und beschließen, den Abend und die Nacht in der Picnic Bucht zu verbringen.
Es ist für mich ein Tag der Erinnerungen. Ohne Wehmut, wie ich erfreut feststelle, sondern mit Dankbarkeit und Freude über und an der Schönheit des Lebens.
Beim Einkaufen von Bierdosen sind harte Verhandlungen und Vergleiche erforderlich, wir bekommen aber einen guten Preis, wobei der Supermarktbesitzer nach Klärung meines Familienstandes der Crew Freibier im Austausch gegen mich anbietet… Aber „meine“ Prinzengarde findet – so wie ich -, dass Bier nicht alles ist im Leben!
Um 12.00Uhr sind alle Vorräte aufgefüllt und verstaut. Hans und ich sind Wachhabende und so komme ich ans Ruder und die Seekarte, langsam bin ich auf der EMILIA angekommen. Sie liegt in meiner Hand, auf der Fahrt zur Quellenbucht, in der wir 2004 geankert hatten, lasse ich Segel setzen.
Bei herrlichem halbem Wind rauschen wir mit über 8kn dahin. Die Kurskorrektur, von Hans durchgegeben, interessiert mich nicht, weil ich SEGLE und nicht Kurs halte. EMILIA fährt super! Auch hoch am Wind lässt sie sich gut führen, ganz anders als MARIA, die Elan, an Pfingsten.
Das Meer, die Luft, der Wind, alles erscheint mir leicht, möglich – wunderbar!
Heute kommt bei diesigem Wetter und schwülen 27°C nur gelegentlich und erst am Nachmittag die Sonne durch.
Beim Motoren durch die Quellenbucht schlägt Harald vor, einmal einen Abend ohne Alkohol zu verbringen. Hans denkt und sagt, dass das möglich sei. Aber Sigi ist diesem Gedanken nicht zugeneigt und eilt zum Kühlschrank, um ein, zwei, drei…vier, nein FÜNF DOSERL an Deck zu bringen.
Am Ende der Picnic Bucht gibt es zwei Holzstege. Der Wirt weist uns an die Innenseite des landwärts gelegenen Stegs. Es ist sehr eng, aber der Tiefe reicht aus. Wir machen steuerbord längsseits fest.

Beim Blick in den Kühlschrank hole ich die beiden kleinen klaren Flaschen zu Tage, die mir schon seit Längerem auffallen. Es sind österreichische Schnäpse, die uns die Vorgängercrew an Bord gelassen hat.
DEN gibt es heute als Anlegeschluck!
Harald ist froh, dass Sigi mitgefahren ist, weil der ihn immer wieder zum Bier verführt. Damit ist Sigi neben Quoten-Ausländer und Wetter-Futzi nun auch noch der Sündenbock.
Mein zweites Bad wartet: eine Runde Schwimmen um die Stege, einseifen, Haare shamponieren und dann kopfüber zum Ausspülen ins Meer. Das hab ich schon seit…. 20 (?) Jahren nicht mehr gemacht. Und es ist sooooo schön, dass ich es gleich dreimal wiederholen muss.
Dann sitze ich allein auf dem Vordeck und bin die Yacht-Wachtel – alle Mann ausgeflogen: Erkundungsfahrt per Dingi ( Hans und Mane ) und Freundschaftsbier eins, zwei, drei… beim Wirt des Stegs. Musikalisch werde ich beschallt vom Nachbarlieger – eine riesige Motoryacht unter russischer Besatzung. Alle Klischees werden erfüllt!
Als die beiden Forscher, Hans und Mane, zurückkommen, gehen Hans und ich zu den anderen, die im Salettl beim Bier sitzen.
Ich bestelle Raki und bekomme gratis einmal durchs-gegelte-Haar-des-Obers-Streifen dazu. Das hat Hermann für mich möglich gemacht! Ich werde ihm ewig dankbar sein für das Wissen über die unerotischste taktile Erfahrung.
Aber bitte…. KEINE Details!
Kulinarisch können wir aus dem Vollen schöpfen und Mane kocht Hähnchenbrust mit Tomatenreis. Parmesan reiben wir nach belieben drüber. Harald isst seinen Käse gerne mit Reis. Der Merlot schmeckt herrlich dazu, Hermann besteht auf Angora weiß.
Alle sind heute etwas früher in den Kojen.

Um 7.30Uhr geht kein Wecker, aber Topfschlagen von Hans erfüllt den gleichen Zweck. Er und Hermann sind wirklich extreme Bettflüchter.
Okay, das Vorschiff fällt täglich auf, indem es als letzte Crewmitglieder aus den Kojen kriecht.
Nach einem knappen Frühstück und Aufklarieren des Salons, der sich wie das Cockpit grauenvoll präsentiert, verholen wir uns an das Stegende und legen um 9.00Uhr ab. Es geht vorbei an der Tersane Bucht in die Bucht von Fethiye.

Die Sonne brennt auch am 3.November vom blauen Himmel bei NULL Wind und dafür unangenehmer querer Dünung. Das morgendliche Ziel ist Maden Iskele. Aufgrund der Witterung ist aber nur Motoren möglich, so dass wir die Bucht vor Marmaris mit ihrem Edelrestaurant steuerbord liegen lassen und weiter fahren, an Marmaris vorbei zu einer kleinen Ankerbucht namens Kriek Ince. Wie am Tag zuvor sichten wir ein Delphin-Pärchen.
Am Ende der Bucht mit einer alten byzantinischen Kirchenruine werfen wir bei 4,3m Anker, stecken das vierfache an Kette und machen eine Landleine fest. Was für ein Glück, dass wir uns für dieses Idyll und gegen die Nachbarbucht mit Hotelbunker entschieden haben!
Während des Tages hatten wir Erkenntnisse des Lebens ausgetauscht und einen medizinischen Gesundheitscheck durchgeführt, all das fällt unter die Schweigepflicht und wir kommen überein: BITTE keine Details!
Nach dem Festmachen und einem gebührlichen Anlegeschluck aus dem Schnapsbestand gehe ich schwimmen, ebenso unser Skipper, Mane und Hans machen per Dingi einen Landgang. Sie schließen Freundschaft mit einem überaktiven Schäferhund-Mischling und stoßen auf eine Kuhleiche zwischen den Ruinen. Bei ablandigem Wind beschert uns die auch gelegentliche Duftnoten der Vergänglichkeit.
Mit uns ankern noch sechs weitere Yachten, fast alle mit Landfeste, zwei davon sind eindeutig Langfahrer. Neid kommt auf und die braungebrannten Bordfrauen werden durchs Fernglas genau beobachtet und altersmäßig eingestuft. Ich bekomme den Fernstecher nicht in die Hand, so dass ich über die Skipper der Yachten keinerlei Aussagen treffen kann.
Die Käseweckerl aus Göcek, die so wie der Schokokuchen im Mund immer mehr werden, verwendet Manfred als Fischköder. Mangels Erfolg genießen wir zum Abendessen keinen Fisch sondern Spaghetti Arrabiata, Pesto Genovese sowie ein von mir gewaltig versalzenes Zucchini-Paprika-Gemüse. Die Joghurt-Granatapfel-Nachspeise ist nicht jedermanns Sache.
Alle sind heute träge und müde und so gehen die Kojenlichter bereits gegen 22.00Uhr aus. Draußen steht der Mond bei sternenklarem Himmel über der Bucht und wirft seine silberne Straße aufs Wasser.
Ohne Dingi auf der Luke können wir im Vorschiff bei offenem Fenster schlafen – ein echter Komfort-Gewinn! Das rechtfertigt die fortan allabendlichen Abbauarbeiten.

Frühes Bettgehen bedingt frühes Aufstehen:
Hermann und Hans sind wieder mal die ersten, dann Harald, später Mane, um 7.30Uhr komme ich und schließlich auch Sigi dazu. Nach Kaffee und Semmerl geht’s ins Meer. Warm, weich, sauber, blau…ein TRAUM!
Während ich mir noch die Kontaktlinsen in die Augen bastle, wird der Anker gelichtet. Die Landfeste hat Sigi schon beim Baden gelöst.
Wir verlassen diese Traumbucht, die umrahmt wird von Felsformationen und Latschenkiefern, einer Ruine und den Resten der Byzantinischen Kirche.
Das Wetter ist wieder STRAHLEND: blauer Himmer, wenige Schäfchenwolken, kein Wind, ölig glatte See.
Unterwegs sitze ich lange im Bugkorb, lasse meine Beine und Seele baumeln, denke zurück und nach vorn, bin glücklich und dankbar für das Gestern, für das Jetzt und schaue mit Neugier und Zuversicht in das Morgen.

Wir sehen erschreckend viel treibenden Müll sowie eine vermeintliche Bierdosenpackung, die sich beim Rettungsmanöver als Seven Up präsentiert….NIX für uns.
Um 12.00Uhr erreichen wir die Durchfahrt Symi – Türkische Küste und wechseln den Kurs auf 328° Richtung Datca.

Es ist das andere Ambiente schon spürbar: die griechische Inselwelt strahlt schon bis ins türkische Gewässerchen.

Datca heißt die Halbinsel, aber auch ein Städtchen auf derselben, welches auf einer Mini-Halbinsel in West-Ost-Richtung liegt. Das Anlegen im Hafen mit Buganker und Heckleinen ist problemlos, es gibt sogar eine Dusche und Toiletten, für die bezahlt werden muss – freiwillig. Hafengebühren werden keine gefordert, wir fragen aber auch nicht lange nach.

Wir laufen am Meer entlang bis zu einem Ausflugskaffee der Stadtbewohner. Dort genehmigen wir uns einen türkischen Mokka und genießen den Sonntag Nachmittag. Hermann verhandelt auf dem Rückweg schon einmal die Preise fürs Abendessen. Ich kaufe ein paar Postkarten incl Briefmarken, die ich nie abschicken werde mangels Postkasten und dann selbst nach Deutschland fliege, um sie dort in Kuverts einzutüten und mittels Deutscher Post dem Empfänger zukommen zu lassen. Diese schreibe ich jedenfalls noch vor dem Essen im Cockpit sitzend bei EFES und Zigi. Ein Telefonat mit David und später Jonas beruhigt das Mutterherz.
Harald schließt Freundschaft mit dem schönsten aller Hafenhunde.
Um 19.00 Uhr brechen wir auf in ein Fischlokal, suchen Vor- und Hauptspeisen aus. Ich möchte Oktopus-Salat und Calamari. Laut Ober haben sie nur Fisch. Komisch, schließlich schwammen schon im Hafenbecken etliche Tintenfische. Wir entscheiden uns für Doraden. Sie sollen 100TL pro Kilo kosten! Das sind FÜNFZIG EURONEN! Wahnsinn! Deshalb sehen wir uns gezwungen, uns auf die Vorspeisen zu beschränken. Das lässt die Obers aufwachen und sie offerieren plötzlich Doraden, die pro Person 15€ kosten sollen. Einverstanden! Nach dieser Bestellung sehe ich den Kellner dann aber Calamari fritti an den Nachbartisch tragen…. Das war’s dann mit dem Trinkgeld!
Wir berappen auch ohne dieses 460TL, also gut 40€ pro Person.
Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack!

Die Atmosphäre dieser „Sommer“Nacht fängt uns im Cockpit sitzend wieder ein: Die Marmorgehsteige an der Hafenpromenade leuchten im Mondlicht, Hunde und Katzen tragen ihre Revierkämpfe aus. Die stolzen türkischen Damen, die am Nachmittag promenierten, haben das Hafengebiet verlassen, dagegen ziehen schöne Mädchen und ihre nicht minder attraktiven Begleiter unsere Blicke auf sich.
Harald hat die Schlüsselgewalt und zerbricht das Schloss beim Aufsperren. Es war bei genauerer Untersuchung klar, dass es offensichtlich schon einmal geklebt worden ist. Hans sitzt den ganzen Abend UNERMÜDLICH am Salontisch und bastelt erfolglos.
Am nächsten Morgen soll Kleber gekauft werden. Dabei versucht Sigi ein weiteres mal vergeblich, ein altes historisches Bismarck-Buch in einem Antiquariat zu erstehen.
Munter lachen, trinken, ratschen und rauchen wir bis 23.00Uhr. Sogar Wasser wird noch gebunkert zu nächtlicher Stunde, was zu einem feuchten Cockpit führt.
Die Nacht ist schwül-warm, aber durch die offene Luke angenehm.


Noch vor Sonnenaufgang höre ich im Dämmerschlaf die Muezzins von den zwei Minaretten im Wechselgesang. Mir ist nicht klar, ob ich träume oder wach bin. So unglaublich schön ist dieses Konzert! Sigi bestätigt mir später, dass er es auch gehört hat.
So fängt Manfreds Geburtstag mit diesen Traum-Klängen an.
Zum Frühstück hat Hans frische Semmeln und eine Geburtstags-Schokoladen-Torte besorgt – Die soll es zum Kaffee am Nachmittag geben!
Als wir wieder um 9.00Uhr ablegen, ist Harald erfreut, dass es täglich möglich ist, ohne Streß und Antreiben der Crew zu dieser Zeit auszulaufen. Er ist aber auch unser Skipper – einer der BESTEN: für mich eine graue Eminenz, Sicherheit ausstrahlend, immer die richtigen Worte für die verschiedenen Manöver. Ich bin beeindruckt.

Unser Ziel ist der Leuchtturm von Knidos, am westlichen Eck der Halbinsel Datca gelegen. Wieder wird uns ein sonniger Tag geschenkt, leider ohne Wind – Mensch, du kannst doch nicht alles haben! – eine spiegelglatte Meeresoberfläche, tiefblaue See, die in einen azurblauen Himmel übergeht. Ich setze mich wieder in den Bugkorb und lass meine Gedanken fliegen, während ich das sanfte Heben und Senken des Bugs in der leichten Dünung genieße.
Da erscheinen aus dem deep blue Rückenflossen von Delfinen! Eine Schule von 8-10 Tieren beginnt, mit uns zu spielen. Zum Greifen nah, unter meinen Füßen tauchen sie in der Bugwelle auf und ab…
Es sind berührende Minuten, lange begleiten sie uns und verschwinden, so wie sie gekommen sind, in den tiefen des Meeres.
Backbord querab machen wir etwas Größeres, Treibendes: ein totes Schaf.
Wir bergen es nicht!
Bei der Zufahrt nach Knidos habe ich Wache.
So darf ich durch die antike, teils unter Wasser liegende, Hafeneinfahrt steuern. Der einzige Holzsteg ist frei, ich lege steuerbord längsseits an. Hermann gibt mir per Handzeichen den Abstand zum Steg an.

Da wir schon gegen 14.00Uhr dort sind, haben wir genügend Zeit für den Landgang, ehe wir dann am Abend noch nach Bodrum weiterwollen.
ABER dieser Hafen, kreisrund, umgeben von der Antiken Stadt Knidos, dem Amphitheater und dem kleinen Fischerhafen auf der gegenüberliegenden Seite der Landzunge verzaubert uns. Wir brechen zügig auf zum Landgang, eine Wanderung von ca 30 min zum Leuchtturm. Es geht stetig bergan, am Ende sogar richtig steil, hinauf zum „Feuer“. Die Macchia duftet nach Thymian, die Sonne brennt, ein sanfter Windhauch verschafft kaum Abkühlung. Oben angelangt werden wir von einem märchenhaften Blick belohnt: Tilos, Nisyros, Kos, Bodrum auf der anderen Seite des Golfes von Gökova.

Hermann und Harald treibt es zurück zu EMILIA, die ja ohne Schloß schutzlos am Steg liegt. Auch ein Bier im Restaurant beim 4-Augen-Gespräch ist wieder einmal fällig für die beiden senior executives. Wir, die operative Ebene, macht eine Überschreitung zum benachbarten Gipfel mit einem weiteren atemberaubenden Ausblick in die griechische Inselwelt.
Durch das felsige Gebiet flüchten sich ein paar Schafe. Jetzt wissen wir, woher, das treibende tote Schaf wahrscheinlich kam.

Der Rückweg ist teilweise schwierig, geht zwischen dornigen Büschen teils weglos bergab, vorbei an antiken Mauerresten und Tonscherben, immer mit Blick auf die zwei „Augen“ der Bucht, auf das Theater am gegenüberliegenden Hang und unser Schiff.
Am Restaurant sitzen Harald und Hermann beim Bier auf der Terrasse, immer unsere EMILIA im Auge, aber noch nicht fertig mit dem Zwischenzeugnis der Crew. Wir setzen uns dazu und trinken alle auf Manfreds Wohl. Danach stürzen sich alle zuerst auf die Schokoladentorte und dann kopfüber ins türkise Blau der Bucht. Heute bleibt die Küche kalt, die gesamte Crew geht ins Restaurant, dessen ehemaliger Besitzer in Seglerkreisen einen üblen Ruf hat, weil er sehr gerne HORRENDE Preise gefordert hat. Davor wird Hermann bei einem fetten Likör-Rum bei der Nachbar-Crew von Werner und Roger gewarnt. Obwohl der Rum schon seine Wirkung zeigt, wird Hermann intensivst mit dem Wirt feilschen. Erfolgreich, aber schon deutlich über der Schmerzgrenze! Es ist schon manchmal nicht einfach mit uns Deutschen! – stellen Harald und ich einvernehmlich fest, Sigi hält sich vornehm zurück.
Vorher aber hat, noch während ich mich vom herrlichen Bad und Decksdusche abtrockne, eine Rennyacht angelegt. Der Skipper bittet uns, uns wegen seinem Tiefgang von 3,30m (!!!!) weiter Richtung Land zu verholen. Dies lehnt unser Skipper jedoch vehement ab, mangels ausreichender Wassertiefe auch für uns.

Zum Geburtstag von Manfred gibt es exzellenten Grillfisch, vorher einen Berg verschiedenster Vorspeisen und Bier. Bei Dunkelheit, die immer früher hereinbricht, sind wir an Bord, lassen den Tag feiernd mit Lachen und Reden ausklingen.
Wir sind uns einig, dass es ein außergewöhnlich schöner Geburtstag war!

Die Morgen an Bord sind gezählt, es ist schon Dienstag, der 6. November. Hermann und Hans sind mal wieder die ersten – 7.00Uhr. Bis sich das Vorschiff aus den Kojen schält dauert es fast bis 8.00Uhr. Dann erfolgt aber auch sofort der Sprung ins Meer, Decksdusche und Frühstück. Ablegen gegen 9.00Uhr – Das war mein letztes Bad im Meer für dieses Jahr!

Unser Ziel ist Bodrum.
Das Wetter ist uns wohl gesonnen, besonders Aeolus meint es gut und lässt es um 4 Bft blasen. „Außa mit da Wäsch!“ tönt es da auch sofort nach Verlassen der Bucht von Knidos.

Wir haben uns inzwischen an diese österreichische Art der Aufforderung zum Setzen der Segel gewöhnt und erreichen mit halbem Wind und Vor-Wind-Kurs angenehme Reisegeschwindigkeiten. Noch einmal können wir Schmetterling fahren und den provisorischen Bullenstander einsetzen. Wir segeln um die Landzunge von Knidos in Richtung Kos und drehen dann nach Bodrum ab.
Beim Blick auf den Leuchtturm hoch über uns, meint Hermann: „Ja, da warn wir oben…. Und EHRLICH gsagt, von hier aus, sieht der VIEL schöner aus!“

Um 15.00Uhr legt Manfred sicher und zügig in der Marina von Bodrum zwischen zwei Yachten an Muring und Heckleinen an. Obwohl wir unterwegs nichts gegessen haben, wollen wir gleich auf die Kreuzfahrer-Burg. Die Stadt ist am Hafen belebt, aber nicht voll, es ist keine Saison mehr. Leider geht auf halbem Weg ein heftiger Regenschauer nieder und wir suchen, wie alle Türken unter den Schirmen eines Cafes Schutz und ein Getränk: Efes, Raki oder Cola. Dann geht’s weiter, durch den Basar und die Stadt. Hier finde ich auch ein paar coole Lederarmbänder für David und Jonas, Harald ein FC-Bayern-Schweinsteiger-Shirt. Als wir um 16.15Uhr am Burgtor stehen, wird uns der Eintritt verweigert: 16.30Uhr Schließung. Morgen wieder ab 8.30Uhr. Die Burgbesichtigung wird wohl ohne uns stattfinden müssen.
Beim Streifzug durch die Stadt entscheiden wir uns für ein Restaurant an der Molenseite der Stadt und speisen mit Blick aufs Meer. Wir glauben es kaum: Hans isst heute seinen DRITTEN Grillfisch!
Zurück an Bord genießen wir die laue Luft, den Wein aus dem Kühlschrank und freuen uns des Lebens!
Es war ein schöner Tag!
Ich hab meine Postkarten wieder NICHT eingeworfen.

Nach Duschgang und Frühstück verlassen wir Bodrum um 9.00Uhr. Unser Tagesziel ist Altinkum, eine Bucht in der Nähe von Didyma. Es bläst ein kräftiger Wind und so kommt Sigi, als Wachhabender, kaum aus dem Hafenbecken draußen auch schon mit seinem Befehl zum Segel setzen. 6-7kn Fahrt – volle Segel bei halbem Wind – ein Traum!
Der beste Smut von allen, Manfred, zaubert zu Mittag Semmelknödel mit Eiern angeröstet, dazu Gurken-Paprika-Salat mit roten Zwiebeln.
Köstlich!
Als Nachtisch folgt dann bei 4-5kn Fahrt vor dem Wind eine Delfin-Show vom Feinsten: es sind VIELE, noch mehr als beim letzten Mal! Sie begeistern uns, spielen geradezu mit uns. Durch Klopfen an die Bordwand können wir sie zum Schwimmen in der Bugwelle, teilweise mit dem Bauch nach oben, zum Springen und Klatschen aufs Wasser animieren. Das Spiel dieser eleganten Tiere, ihre Anmut im Wasser raubt uns den Atem. Sie begleiten uns bis zur Einfahrt in die Zielbucht.
Links von Altinkum liegt eine neue Marina, die wir aber nicht anlaufen wollen. Denn die Bucht rechts des Fischereianlegers eignet sich sehr gut zum Ankern.
Sigi fährt das Ankermanöver, das Eisen fällt auf 4 m, wir stecken 30m Kette, machen mehrere Ankeralarme scharf und springen erstmals NICHT ins Wasser. Es ist kühler und windiger geworden.
Also klarieren wir das Dingi und setzen zu sechst an Land über. Der Strand ist jetzt in der Nachsaison ausgestorben, nur ein paar verlorene Angler und Jugendliche lungern herum, die ziemlich maroden Hotelanlagen verwaist und machen einen durchwegs verwahrlosten Eindruck. Ein großer Steh, dessen Planken entfernt worden waren dient uns als Anleger. Kaum sind wir jedoch am Strand, warnt uns ein „deutscher“ Türke, Rentner aus Berlin, vor klauenden Kurden. Harald und Hermann nehmen das sehr Ernst und wollen nicht mit zum Essen gehen. Deshalb wird die operative Ebene mit einem Handfunkgerät ausgestattet, während die Senior Executives ihr regelmäßiges Vier-Augen-Gespräch im Cockpit führen, was für Harald keine leichte Situation ist.

Beim türkischen Inder (?) essen wir zu Abend, die aufgezogenen Gewitterwolken lösen sich zum Sonnenuntergang wieder in nichts auf. Ehe wir zum Strand aufbrechen, besorgen wir für unsere beiden Skipper noch einen Döner Kebab und rufen dann Hermann über Funk zum Übersetzen. An Bord wird der weitere Abend bei Musik, mit der uns der beste Skipper und DJ von allen, und Wein sehr fröhlich und sehr feucht, so dass sich Hans, Sigi und Harald gegen 20.00Uhr gezwungen sehen, erneut an Land zu gehen, um die Weinvorräte aufzustocken: 2xRot, 2xWeiß.
Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das alles keine leichte Situation für Harald ist!
Bis kurz vor Mitternacht genießen wir das sanfte Schaukeln von EMILIA, den frisch erstandenen Wein, die wunderbare Musikmischungen von Harald und achten genau darauf, dass uns keine Engelländer überfallen. Denn DAS wäre dann wirklich keine leichte Situation für uns alle!

Zwischen 1 und 2.00Uhr werde ich wach und gehe zur Toilette. Draußen blitzt und donnert es, Wind ist aufgekommen. Hermann hält Wache, Hans ebenfalls. Der Anker hält!
Gegen 3.00Uhr beruhigt sich die Lage wieder.
Um 8.00Uhr heißt Harald: Anker auf – wir legen ab.

Zielhafen Kusadasi – EMILIAs und unsere letzte Etappe in diesem Jahr.

Der Wetterbericht hat keine guten Nachrichten für uns: Wind aus Nord, 6-7Bft gegen Abend ansteigend in Böen 8-9Bft, 3-4m Welle.
Da zögere ich nicht lange und klebe mir ein Pflaster hinters Ohr, Manfred tut das gleiche. Außerdem mache ich mich seefertig mit Musto-Hose und Northface-Pulli, Rettungsweste und life-belt liegen griffbereit.
Unter Motor geht es gemächlich aus der Bucht. Leider ist es unmöglich einen segelbaren Kurs zu fahren, wir lassen aber Genua und Groß zu ¼ als Stützsegel aus.

Im Laufe des Vormittags nimmt der Wellengang ständig zu, wir bolzen unter Motor und mit zunehmendem Wind voll auf die Nase gegenan.
Angst frisst mich an. Ich habe mir neben dem Ölzeug auch den IPod an Deck genommen und bekomme mein Mütchen mit lauter Musik von Bon Jovi, Scorpions und Hurts direkt ins Gehirn in den Griff. Später muss aber dann auch noch der GRAF seinen Beitrag leisten. Langsam werden meine Füße kalt und ich beginne darüber nachzudenken, wann und wie ich mir die wasserdichten und warmen Stiefel an Deck hole. Meine Gedanken sind noch nicht ausgereift, als mir Sigi anbietet, sie zu holen. Was für ein wunderbares Angebot! SUPER! Danke, Sigi!

Vor der Straße von Samos frischt der Wind weiter auf, aber die See wird flacher. Manfred nützt dies, um Nudelsuppe zu kochen, während mich ein Nickerchen erfrischt. Kaum haben wir passiert, türmen sich die Wellen schlagartig und gewaltig wieder auf und brechen regelmäßig. Es werden sogar immer häufiger auch die Schaumkronen verblasen. Ich gehe noch schnell einmal auf die Toilette und ducke mich dann wieder in der Nähe des Niedergangs unter das Sprayhood, weil mittlerweile regelmäßig Wasser über kommt. Die Suppe ist fertig, ich kann sie riechen; die Crew isst in Schichten bzw. teilweise an Deck oder im Niedergang – ich NICHT. Allein die Vorstellung des Essens oder gar UNTER Deck zu gehen verursacht Brechreiz…. Ich stürze ans Heck und hänge mich in den Heckkorb backbordseitig. Das ging gerade noch einmal gut!
Da ich sowieso dauernd eine warme Meerwasserdusche bekomme, stehe ich auf und „reite“ über die Wellen, die mich beim Ritt nach unten ins tiefe Nass tauchen. Hans steht wie ein 14jähriger Klabauterjunge lachend und glücklich am Ruder. Sigi sitzt im Niedergang, Harald liegt in seiner Koje, Hermann zwischen den Zigaretten im Salon. Manfred kommt nach aufklarieren der Pantry an Deck und sieht ziemlich blaß aus. Ich fordere ihn auf, sich den lifebelt umzulegen. Er geht nach unten, und das war’s: ich bin schuld, dass er die nächste halbe Stunde in der Dusche fest hängt.
Hans freut sich über jede Welle. Der Motor schafft bei 1600 Umdrehungen oft nur 2,5kn, die Landmarken kommen und kommen nicht näher.
Aber der graue Himmel bietet zunehmend Lücken mit Sonnenschein, was fantastische Stimmungen aufs Wasser zaubert: Das Meer ist wild, brechende Wellenkämme und silbrige Lichtstraßen fangen das Auge ein, glitzernde Gischttropfen erfüllen die Luft. Die Musik dazu liefert der Wind, der in den Wanten heult.
Endlich können wir in 6-9sm Entfernung Kusadasi ausmachen.
Aber wegen mehrerer Gefahrenstellen dürfen wir die Hafeneinfahrt nicht direkt ansteuern, sondern müssen die Sonderzeichen erst steuerbord liegen lassen, ehe wir von 25° auf 90° abfallen können und surfen dann mit 7-8kn auf die Einfahrt zu. Die Abdrift ist gewaltig.
In der Setur Marina von Kusadasi finden wir eine guten Platz zwischen zwei Yachten, bekommen von den Marineros die Muring vom Dingi aus zugereicht, und Manfred bringt EMILIA gegen den Wind mit Heckleinen an den Steg.
Wir haben den Eimer in den Hafen gerammt.
Kein Mann, nicht mal eine Frau ging verloren!

Große Erleichterung erfasst uns, ein Anlegeschluck mit Efes schmeckt herrlich. Und diesmal schließt sich sogar Hans an und trinkt BIER statt Cola!!!!

Beim Abendessen im „Ali Baba“ am Kreuzfahrtschiff-Anleger schmeckt der Fisch und der Wein, allerdings schwankt das Lokal gewaltig. Jetzt sind wir landkrank!
Auf dem Heimweg machen wir die Taxifahrt für den letzten Tag klar: wir wollen nach Ephesus.

Nach der Schiffsübergabe am Freitagmorgen, einer Dusche, die meine Haare endlich entsalzt sowie einem Frühstück machen wir uns nach Ephesus auf. Wir haben für einem 3 stündigen Aufenthalt in der Ruinenstadt für den Transport per Taxi für uns sechs 40€ ausgehandelt.
Nach einer ca halbstündigen Fahrt erreichen wir Efes, das antike Ephesus.
Über den oberen Eingang schlendern wir durch die alte Stadt, vorbei am Domitian Tempel durch das HeraklesTor und zu den öffentlichen Toiletten. Die antike Kuretenstraße ist prachtvoll und führt uns zur Celsusbibliothek und der unteren Agora.

Von hier aus ist das große Amphitheater, das damals schon 25000 Zuschauer fasste zum Greifen nah.
Wir lassen uns treiben, durch die alten Gassen, vorbei an den Hanghäusern, für die ein extra Eintritt (6€) verlangt wird, zurück durch das prachtvolle Herakles Tor. Ab hier war damals schon Fußgängerzone, für Wagen und Pferde also Sperrgebiet.
Das Licht mit dem stahlblauem Himmel bei einem allerdings sehr frischen Wind, die zum Teil grandios erhaltenen Gebäude lassen das Treiben der alten Hafenstadt, die nun etliche Kilometer im Landesinneren liegt, vor unseren Augen lebendig werden. Mich erinnert das alles sehr an die toten Städte in Syrien und die fantastische Oasenstadt Palmyra. Dort war es ein paar Grad wärmer.
Diese Gemeinsamkeiten machen den engen Zusammenhang des Kulturraumes Mittelmeer seit Jahrtausenden deutlich und nehmen mich gefangen. Eine atemberaubende Welt war das damals und ist es immer noch. Ich bin sehr froh, dass wir diesen Landausflug gemacht haben und finde es schade, schon am nächsten Vormittag aufbrechen zu müssen, nach Hause, in das lichtarme Deutschland respektive Österreich…

Den Abend und diesen wunderbaren Törn lassen wir ausklingen beim Abendessen, wobei Hans zum VIERTEN Mal Fisch isst!

Den allerletzen Vormittag im Süden für dieses Jahr verbringt jeder für sich bzw in Kleingruppen: letzte Mitbringsel besorgen, ein Besuch beim Barbier, einfach Schlendern am Hafen entlang zur Taubeninsel.

Gegen Mittag fährt uns das von Ecker organisierte Taxi für 18 pro Person ins knapp 100km entfernte Izmir.
Von dort geht’s im komplett ausgebuchten Flieger nach München.

Mit einem weinenden Auge verabschieden wir uns am Abend von einander, freuen uns über das Wiedersehen mit unseren Familien, und wollen doch nichts anderes als…..
WIEDER AN BORD ZU GEHEN.

Andrea