SEGELCLUB
DEGGENDORF

Segeln im Östlichen Mittelmeer von Göcek nach Kas und zurück nach Marmaris

Am 16.4.2004 hatten wir den "point of no return" erreicht. Diese so gefürchtete und in der einschlägigen Literatur oft genannte Klippe, wenn einmal umschifft, wird nie wieder gesichtet und zwingt den Seemann zu unbedingtem Gehorsam, was bedeutet, er hat sich dem Meer mit Haut und Haar verschrieben.

Auch uns war es so ergangen: nach dem Erhalt der Lizenz zum Führen eines Schiffes heuerten wir Hals über Kopf auf einer Yacht in der Türkei an. Daß die Abfahrt erst 6 Monate später stattfinden würde, störte uns nicht im geringsten, stellte aber unsere Geduld auf eine harte Probe.

Im Rahmen einer Studenten-Freundschafts-Wiedervereinigungs-Feier erweiterte der Skipper die bestehende Crew ( Matthias, Andrea, David und Jonas ) um eine Meernixe namens Barbara und einen Hahn namens Jochen. Gemeinsam machten wir uns am Samstag den 30.10. auf ins Land des Halbmondes, per Flugzeug nach Dalaman, vorher gestärkt durch einen kräftigen Ablegeschluck im Kreise der Familie.

Es ist unser erster Törn ohne unsere Lehrmeister, die uns in die Geheimnisse der Schiffslenkung eingeweiht hatten. Der Abschied fällt den Eltern und Großeltern daher etwas schwer - wir könnten ja auf dem Meer bleiben.

Noch zwei Tage vor Abreise rief am Abend der Vercharterer an und bat uns, statt der 39er Oceanis mit der 45er Sun Odyssee Vorlieb zu nehmen, da "unser" Schiff vom Eigner gebraucht wird. Mit etwas mulmigem Gefühl in meinem Bauch willigten wir ein.

Am frühen Nachmittag landen wir nach einem herrlichen Flug über die mit frischem Schnee überzuckerten Alpen im Süden der Türkei auf einem kleinen Rollfeld. Ein warmer Wind schlägt uns entgegen und wir werfen die dicken Winter/Segelpullover über die Gepäckstücke.

Sheriffer, heißt unser liebenswürdiger Chauffeur, der vor der Ankunftshalle mit einem Mercedes Vito auf uns wartet und uns beim Transport nach dem 20km entfernten Göcek auf die örtlichen Aussichtspunkte aufmerksam macht und Fotostops einlegt.

Vorbei an der "Mosche" - gesprochen mit kurzem "o" - biegen wir in einen gepflasterten Parkplatz ein und schleppen staunend ob der südlichen reichen Vegetation die Ausrüstung Richtung Anlegesteg. Dieser befindet sich dirckt hinter der Häuserzeile vor einem Restaurant. Unser Schmuckstück heißt "INSIDER" und strahlt in der Nachmittagssonne eine unglaubliche Majestät aus. Matthias und ich machen uns auf den Weg zum Charterbüro, im ersten Stock der Häuserzeile gelegen, malerisch oberhalb einer dichten Weinlaubdecke über einem türkischen Cafe.

Sorgfältig wird alles besprochen und die Kaution nach Besichtigung der Yacht hinterlegt.

Bis diese Prozedur, für alle nicht unmittelbar Beteiligten eine folternde Geduldsprobe, über die Bühne ist, spielen die Kinder am Kai und Barbara und Jochen zählen die Gepäckstücke durch.
Als ich nicht mehr gebraucht werde, machen Barbara, Jochen und ich uns auf zum Einkauf in den nahegelegenen Supermarkt, bei dem wir mehrere Millionen Lire lassen. Die vielen Nullen auf den Scheinen machen einen ganz wirr und der Überblick übers Geld ist rasch verloren. Dies wird jedoch von nahezu keinem der einheimischen Händler ausgenützt.

Endlich kurz vor Sonnenuntergang laden wir unsere Habseligkeiten in den Schiffsbauch und beziehen unsere Kojen. Nach dem Anlegeschluck gibt's im benachbarten Lokal unter blühenden Hibiskus-bäumen ein türkisches Menue. Unter einem südlichen Sternenhimmel schlafen alle selig ein.



Am nächsten Morgen präsentiert sich das Wetter von seiner besten Seite, strahlend blauer Himmel, 24°C und ein laues Lüftchen aus Osten mit 2 Bft. Nach einem Frühstück in bester Laune legen wir um 1000 ab. Noch im Hafenbecken stellen wir fest, daß die Logge nicht funktioniert, so daß wir unter den Augen der Charterbasis sogleich ein erstes Anlegemanöver durchführen müssen. Alles läuft wie am Schnürchen, die Logge wird vor Ort und sofort repariert, der zweite Anlauf: wir kommen keine 200 m weit, da ruft mich der Skipper aus der Pantry: das Ruder blockiert! Eilig suche ich nach der HandyNr. der Charterbasis, da kommt auch schon die Entwarnung: der Autopilot war eingeschaltet!

Während der Ausfahrt aus der Bucht von Göcek erfolgt eine weitere Bootseinweisung und um 1045 ist es soweit: Roll aus Großsegel!

Bis der Wind am frühen Nachmittag einschläft probieren wir einige leichte Manöver, die Crew spielt sich schon ein. Die herrliche Küstenlandschaft mit unzähligen kleineren und größeren Buchten und das Traumwetter lassen uns sofort alle Alltagsgedanken vergessen. Bald beginnt Jochen mit Jonas Backgammon zu spielen, David patrolliert übers Deck und kontrolliert die Schotten und das Dingi. Am Nachmittag wird Matthias das Motoren zu dumm, und er besteht auf einen Segelversuch: mit allen Tricks und viel Geduld gelingt uns bei Kurs 326° und einem leisen Zug aus Osten ein Schmetterling, der uns bis zu unserem ersten Etappenziel (21sm) - die Quellenbucht - bringt.
Das Ufer fällt hier, im Gegensatz zu den meisten Buchten relativ flach ab, so daß es uns nicht geboten scheint, eine Landfeste auszubringen. Wir werfen also Anker, wieder ein neues Manöver für uns. Der Skipper ernennt mich zur Anker-Fee und mit Konzentration und Vorsicht, ich habe großen Respekt vor einem baumelnden Anker, der dem Rumpf häßliche Verletzungen zufügen könnte, kann nach 15min der Motor ausgemacht werden. Unser Hand-GPS hält Ankerwache, das Dingi wird ausgebracht und die Kinder erkunden mit Jochen und Matthias das Ufer. Barbara, die Meer-Hexe hat mittlererweile schon mehrfach gebadet, ich schließe mich an, und wir drehen vor dem Abendessen ein paar Runden um die Insider. Danach geht's ans Kochen: Steaks mit Reis. Auf den speziellen Wunsch von Barbara hatten wir Martini gekauft, der nun bei Sonnenuntergang an Deck der sanft schaukelnden Yacht einfach nur herrlich schmeckt.

Die Männer berichten von mysteriösen Felsengräbern an Land, so daß für den nächsten Morgen eine weitere Expedition geplant wird.



Die Nacht war angenehm mild, wir schreiben den 1.November und springen noch vor dem Frühstück ins Meer. Während die Mädels sich gemütlich fein für den Tag machen, erfolgt die zweite Erkundung der Felsengräber und eine erste Kontaktaufnahme zu ubiquitär vorhandenen Ziegenhorden durch die Jungs.

Um 0940 lichten wir den Anker und setzen auch bald Segel, trotz wenig Wind wie am Vortag. Das Mittagessen brutzeln Barbara und ich unter Segel vor - Champignons mit Zwiebeln und Tomaten dazu Vollkornbrot, Paprika und Feta. Beim Speisen genießen wir die Langsamkeit des Seins in diesem herrlichen Archipel. Unser Ziel heute ist die Kaltwasserbucht ( 21 sm ). Wir sind mit unserer Sun Odyssee die ersten in dieser malerischen, von oben betrachtet, herzförmigen Bucht und suchen uns eine schöne Stelle zum Ankern und Ausbringen der Landfeste.
Jetzt schlägt die Stunde der jüngsten Crewmitglieder, die den Hahn zum Felsen rudern, wo sie unter lautstarken Befehlen des Skippers die Leinen festmachen.

Während wir schon den wohlverdienten Anlegeschluck genießen, kommen zwei weitere Yachten und suchen sich ein Plätzchen. Beim abendlichen Bad bemängeln deren Frauen, die kühlen Unterwasserströmungen, hervorgerufen durch die Süßwasserquellen. Manche Menschen finden einfach überall Haare in der Suppe! Die Sonne geht hier schon früh unter, um 1730 setzt die Dunkelheit ein, so daß David und Jonas uns Erwachsene - jeden einzeln! - schon mit Taschenlampe übersetzen, denn am Ende eines kleinen, mit romatischen, mit Laternen markierten Pfades hatten wir ein Restaurant ausgemacht. Drei Burschen waren aus Fethiye mit dem Motorboot herangebraust und wollen für uns kochen: Wildschwein oder Fisch, als Vorspeise Gemüseplatte. Köstlich!



Es ist Dienstag, bereits um 0800 lesen wir 18°C Außentemperatur ab und springen kopfüber ins badewarme Mittelmeer. Kaum wieder an Bord und klar zum Frühstück, umkreisen uns kleine Boote und bieten ihre Ware feil: Pfannkuchen mit Honig. Matthias läßt sich breit schlagen und kauft zwei ab, die wir redlich untereinander aufteilen - eine kleine Köstlichkeit am Morgen, die den Serotonin-Spiegel und damit die Stimmung hebt. Kurz darauf, als Barbara, die Meernixe, in einem meerblauen Kleid ins Cockpit steigt, umschwärmen weitere Boote die Insider. Die Schöne flüchtet wieder nach unten und Matthias meint: "Die werden wir gleich los. Andrea, steig doch du einmal nach oben!" Naja....

Wie jeden Tag vorher versuche ich vergeblich, den für uns gültigen Wetterbericht auf UKW abzuhören, aber es kommen nur "gale-warning Ionian Sea". Das an Bord befindliche Navtex funktioniert nicht. Da unsere heutige Etappe etwas größer ist, 36sm bis Kalkan, brechen wir bereits um 0830 auf. Bei absoluter Windstille, öliger glatter See wird halt wieder einmal motort. Das allerdings gibt uns an diesem sehr warmen Tag viel Gelegenheit zum Baden. Immer wieder schalten wir den Motor aus und treiben auf dem tintenblauen Meer, in das wir uns kopfüber oder auch mit dem Bauch voran vom Bug aus stürzen. Wie schon am ersten Tag sehen wir häufig fliegende Fische. Das Mittagessen nehmen wir im Sonnenschutz des Biminitops ein, während uns Barbara immer wieder einmal vorliest, was es an Land, westlich von Kalkan, für Ausgrabungsstätten zu bewundern gibt. Pataro soll sehr sehenswert sein, so daß wir in Erwägung ziehen von Kalkan aus einen Landausflug zu unternehmen.
Der Führer schildert die Anreise zeitaufwendig, und wir würden einen ganzen Tag auf See verlieren. Das wollen wir uns nicht leisten.

Am Nachmittag können wir dann bei 1-2Bft aus NE die Segel lüften, in Fahrt kommen wir nicht wirklich. Warship Southhampton übt vor Rhodos, und wir können den Funkverkehr mithören. Jedes "plaisure boat", das sich zu nahe an den Koloss wagt wird sofort angerufen und muß sich per Funk mit MMSI, callsign, Name und Eigner ausweisen. Um 1700 erreichen wir den Hafen Kalkan - ein sehr orientalisch anmutender Ort. Der Hafen ist U-förmig und angelegt wird mit Buganker und Murings. Matthias teilt jeden ein, erklärt, was passiert und danach läuft alles wie besprochen ab. Ein perfektes Anlege-Manöver!
Barbara erklärt Matthias zum Super-Skipper, das verdient ein Extraglas auf ihn. Vorher jedoch eilen wir durch die Stadt, da die "Drogen"-Situation an Bord bedrohlich wird - kein Bier, wenig Wein, keine Zigaretten. Die Hafengebühr beträgt hier 40 000 000 TL (geschätzt 20€), ohne Toiletten/Duschennutzung - das kostet extra. Nach Einbruch der Dunkelheit marschieren wir durch den an einem Hang gelegenen Ort auf der Suche nach Essen. Es duftet gar köstlich an jedem Eck, aber Barbara hat genaue Vorstellungen von unserem Restaurant und wir suchen so lange, bis wir Ali gefunden haben. Auf seiner Dachterrasse mit herrlichem Blick über den Hafen und aufs Meer hinaus genießen wir türkische Gastfreundschaft und Leckereien aus 1001 Nacht.

Der Muezzin ruft zum Gebet und uns wird klar: "im Orient, im Orient, wer jeder seinen Namen kennt..." Die Nacht wird heiß, stickig, Mücken zwicken und Bauarbeiter hämmern und klopfen bis spät. Als diese endlich auch in die Federn sinken, werden sie abgelöst von den herumstreunenden Hunden, die sich mit ihrem Gekläff Aufmerksamkeit verschaffen.

Am Mittwochmorgen kriechen wir etwas gerädert aus den Kojen. Beim Frühstück wird deutlich, daß es höchste Zeit wird, die Insider wieder einmal auf Vordermann zu bringen. Ich erkläre mich dazu bereit und bleibe an Bord, während der Rest der Crew auf Landgang ausfliegt. Der Jockel hat so lange Haare, daß es sich beim örtlichen "Koaför" behandeln läßt.
Ein Haarschnitt in der Türkei ist ein kleines Wellness-programm mit Naßrasur, Gesichtsmassage, Ausbrennen der Nasen- und Ohrenhaare. Uns stellt's alle Haare auf bei Jochens Erzählung, aber er beteuert, daß die Prozedur sehr angenehm gewesen sei.

Die Insider sieht mittlerweile auch wieder aus wie eben aus dem Hamam entlassen. Nachdem auch die Wassertanks gefüllt sind, lichten wir um 1000 den Anker und nehmen Kurs auf Kas, unseren Umkehrpunkt. Die Tagesetappe beträgt nur 16sm, wir haben alle Zeit der Welt bei Bft 0-1 die Segel zu setzen und wieder zu bergen, wieder zu setzen usw. Nebenbei wird ausgiebig im 24°C warmen Meer gebadet, die Wassertiefe beträgt ca 1000m, so daß keiner Angst haben muß, sich den Kopf anzuschlagen. Um 1330 speisen wir unter dem Biminitop allerlei Leckereien, die der Kühlschrank so hergibt.
Danach ist wieder Badezeit.

Dabei ereignet sich das Undenkbare: die Logbuchführerin wird vom Skipper achtern aus über Bord geworfen wegen unziemlicher Bemerkungen, der Kapitän läßt allerdings, so seine Aussage, Gnade vor Recht ergehen und erspart ihr das Kielholen.

Um 1515 fahren wir in den Hafen von Kas und machen uns klar zum Landgang. Die Stadt ist ein gutes Ausflugsziel, denn oberhalb in den Felsen gibt es Felsengräber zu bewundern und etwas westlich gelegen sogar ein Amphitheater. Wir machen aber nur einen Stadtrundgang und erwerben Kräuter und Tees auf dem sehr orientalischen Basar. Fürs Abendessen kaufen wir auch ein, denn diese Nacht möchten wir ruhig in der etwas südöstlich gelegenen Bucht ankern.

Im Schlick finden wir guten Halt, aber da etwas Wind aufkommt, beschließt Matthias an Deck zu schlafen/wachen und Jochen leistet ihm Gesellschaft. Vorher aber bereitet uns Barbara ein tolles Auberginen-Hackfleisch-Menue, das sie bei ihrer Freundin Aishe gelernt hat.

Bei Sonnenuntergang ruft der Muezzin von der am Ufer gelegenen Moschee zum Gebet.
Über Nacht ist Wind aufgekommen bis 4Bft, so daß wir in Erwartung eines echten Segeltages schon um 0810 den Anker lichten und auch gleich Segel setzen. Bei SE-Wind geht's mit Halb-Wind-Kurs zügig voran, und wir erreichen bereits um 1400 den Strand von Kalkan. Hier müssen wir erneut einen Badestop einlegen, zumal da nun auch der Wind einschläft. Unter Motor geht's weiter Richtung Kaltwasser-Bucht.
Allerdings ziehen Wolken am sich verdüsternden Himmel auf. Um 1615 versuche Funkkontakt zur PUPA-Marina in Göcek herzustellen, was aber nicht gelingt. Die Abdeckung durch die Küstenberge ist wohl einfach zu stark.
Um 1730 fällt der Skipper die Entscheidung zur Weiterfahrt bis Göcek, was eine Nachtanfahrt bedeutet. Barbara und ich bereiten ein Abendessen vor, während Matthias alles klärt für die Fahrt im Dunkeln

( Untiefen, Leuchttürme, Wegpunkte etc.) Gegessen wird kurz nach Sonnenuntergang und dann wird's spannend: Die Ansteuerung ist nicht ohne, denn es sind ein paar Klippen zu umfahren ehe man in die Bucht gelangt.
Aber auch dann wird's nicht besser, denn die Betonnung ist katastrophal, zumal da 2-3 Marinas, der Stadthafen und eine Werft ihre Grün/Roten Tonnen gesetzt haben. Ganz langsam tasten wir uns vor, ein Glück, daß die Wassertiefe kein Problem darstellt! Barbara ist zum Überspringen eingeteilt, Jochen und Jonas an den Leinen, ich fische und belege die Muring. David ist krank - Ohrenschmerzen.

2110: Insider festgemacht an der Muring unter der PUPA-Flagge. Mit 54 sm ist das unsere größte Tagesetappe gewesen.



Am Freitag, den 5.11. erwachen wir im Ausgangshafen und kaufen noch einmal im bekannten Supermarkt ein. David hat entsetzliche Ohrenschmerzen und Fieber. Ich entschließe mich zur Antibiotika-Therapie, da der Flug für ihn sonst nicht überstanden werden kann. Bevor wir erneut in See stechen, überprüfen ich noch die Abflugzeiten am Sonntag, dann heißt's um 0930 "Murings los".

Mit Barbara haben wir nicht nur eine Hebamme an Bord, die brauchen wir auf dieser Fahrt nicht, sondern auch eine Schamanin, die David mit Reki behandelt, was auch prompt nach einer für Barbara anstrengenden 1/2 Stunde die Schmerzen lindert. Jochen bietet David noch eine Vollnarkose an, aber das heben wir uns für den Notfall auf.

Um 1400 bewölkt es sich , dafür kommt etwas Wind auf, wir können Segel setzen. Wir befinden uns im Mündungsgebiet des Dalyan - Flusses, den man mit flachen Motorbooten flußaufwärts fahren kann. Es ist ein Naturschutzgebiet und soll wunderschön sein. Diese Ausflüge starten von Maden Iskele ( 30 sm ), unserem Ziel für heute, und dauern einen ganzen Tag.
Den haben wir leider nicht mehr zur Verfügung, denn am Samstagnachmittag soll die Insider in der PUPA-Marina in Marmaris im Winterquartier stehen. Die weite Bucht beschert uns allerdings die Möglichkeit ein paar Manöver zu üben, jeder darf einmal ans Ruder. Dabei gibt es etwas Ärger unter den Crew-Mitgliedern, weil der Skipper, entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten, keine eindeutige Aufgabenverteilung ausgegeben hatte. So kommt's, daß der Hahn sich in seiner Koje beruhigen muß.

Abends wird dieses Problem noch ausgiebig in der freien Seglergruppe diskutiert, damit wir alle friedlich und freundschaftlich einschlafen können.

Maden Iskele mit seiner "My Marina" ist ein absolutes Muß!
Internationale Segelyachten und eine traumhafte Kulisse machen dieses Nacht"Quartier" zu einem echten Erlebnis. Wir legen zwischen Schweden und einer Super-Nostalgie-Yacht aus England an, außerdem verbringen Österreicher ( wo sind die nicht?) und Franzosen die Nacht hier. Anlegegebühr gibt's keine, trotz Toiletten und Duschen, dafür wird erwartet, daß in dem edlen Restaurant auf dem Hügel mit Blick über die Bucht eingekehrt wird. Das fällt uns nicht schwer, denn das Ambiente ist bezaubernd: ein mit Fackeln beleuchteter Weg führt durch mediterrane Vegetation zwischen berauschend duftenden Bäumen auf die großzügige zum Teil überdachte/ geschlossene Terrasse. Etliche elegant gekleidete Ober kümmern sich um unser leibliches Wohl und vor jedem Gang wird auf Servierwägen und Platten, das Fleisch oder der Fisch zur Genehmigung und Auswahl demonstriert. Schlemmerland Türkei!

Beim Abstieg zum Schiff jammert Jonas über Übelkeit und Schwindel, er kann kaum die Stufen gehen und ich muß ihn stützen. Nein, Alkohol war hier nicht im Spiel - der Junge ist landkrank! Ein Emesan-Zäpfchen sorgen für Linderung und eine ruhige Nacht.

Während die Kinder schon schlafen, genießen wir 4 Großen die laue Nacht und vernichten einen Großteil unserer Weinvorräte.



Der letzte Tag an Bord "unseres" Schiffes beginnt schon im Morgengrauen - Jochen ist als erster wach. Er hat an Deck geschlafen. Geweckt wird er vom Krähen diverser Hähne und einem ohrenbetäubendem Bienensummen. In den duftenden Bäumen sammeln sie im Sonnenaufgang fleißig Nektar. Auch heute darf keiner ohne das obligatorische Bad im Meer an den Frühstückstisch. Dank der in der Türkei bestehenden Fäkalientank-Pflicht kann man frei weg um ankernde Yachten schwimmen auch in kleinen engen Buchten.

Eine spezielle Treppe aus Holz, die das übersteigen von hohen Yachten an Land erleichtert veranlaßt den Jockel zu einer Rede. Darin teilt er uns mit, daß er den Törn sehr genossen habe, nun aber schweren Herzens von uns Abschied nehmen müsse, da er bei den Engelländern als Smutje angeheuert habe. Er hoffe sehr, uns doch eines Tages irgendwo auf den sieben Weltmeeren wiederzusehen.

Nach einem Morgenspaziergang lichten wir um 0850 bei blauem Himmel und 22°C den Anker, um uns auf den letzten Teil unserer Reise zu machen. In der backbord Achterkajüte trifft Barbara auf einen blinden Passagier: der Hahn. Er konnte uns nicht verlassen, außerdem waren die Engländer plötzlich ohne ihn abgereist.

Bis 1100 können wir bei leichtem Wind etwas segeln, dann macht der Wind, so wie wir eine Mittagspause, die um 1300 beendet wird. Das Wetter verschlechtert sich, wir legen unsere Sicherheitsrüstung bereit, die wir um 1330 bei Bft 5 auch anlegen. Um 1400 müssen wir wegen Böen sogar reffen. Mittlererweile befinden wir uns in der Einfahrt zur großen Bucht von Marmaris. Regen setzt ein und Gewitterwolken sind aufgezogen. Bei einer Böe machen sich die Vorschoten selbstständig, weil die Kinder beim Aufklarieren der Schoten mit Schneckerlrollen die Achterknoten an den Enden entfernt hatten und wir es nicht bemerkt hatten. Matthias muß die tanzenden Schoten wieder einfangen und einfädeln, das ist bei dem Wind und jetzt auch Seegang eine kitzlige Angelegenheit. Aber alles geht gut! Auf dem letzten Stück zur PUPA-Marina liefern wir uns mit einer blauen Oceanis noch ein kleines Wettrennen, das wir für uns entscheiden können. Um 1535 legen wir in strömendem Regen und unter Mithilfe der Marineros, sie drücken mit Schlauchboote den Bug der Insider gegen den Winddruck in die Box. Trotz der vielen Motorstunden tanken wir nur 81l, was einen Verbrauch von 3,1l/h bedeutet. Die letzte Etappe war 23sm lang und bei der Übergabe des Schiffes könne wir uns 203 sm von der Marina bestätigen lassen. Beim Rundgang lernen wir auch unser eigentliches Schiff, die NEMO kennen, eine sehr schmucke Oceanis 39, ziemlich neu gegen unsere INSIDER, aber wir möchte unser Zuhause für die letzten 8 Tage trotzdem nicht eintauschen.

Den Abend beschließen wir im Marina-Restaurant, feiern unseren Super-Skipper und einen geglückten, fröhlichen Törn, für den es wohl keine Fortsetzung geben wird, weil Barbara und Jochen beschließen werden, nach Australien auszuwandern. Aber man soll ja auch dort ganz passable Segelreviere vorfinden!



Der 7.11. ist unser Abreisetag: wir sind alle landkrank und so traurig wie das Wetter. Davids Ohren geht's deutlich besser und Jonas freut sich als einziger auf die Schule!

Um 0915 holt uns unser Taxi mit Chauffeur Sheriffer ab, alles wird verstaut. Ciao, Gülegüle Insider!

Da wir über eine Woche Urlaub hatten und das Ziel Marmaris und nicht Göcek war, mußten wir Gabelflüge wählen, so daß unser Abflughafen Antalya und nicht Dalaman ist. Dies beschert uns eine vierstündige Fahrt durchs türkische Hinterland. Wir durchqueren eindrucksvolle einsame Landschaften mit Karstgebiet und Canyons. Irgendwo im Niemandsland halten wir Mittagsrast in einem Straßenlokal, in dem wir noch einmal überaus gastfreundlich bewirtet werden. Kurz vor der 2Mio-Stadt Antalya macht Sheriffer noch einmal Halt und geniessen den Ausblick über die viertgrößte Stadt der Türkei und deren Bucht. Straßenhändler bieten Sesamkringel feil, die die Buben natürlich essen wollen. Ich erstehe zwei und werde, eingelullt von der bislang erlebten Freundlichkeit, vom "Fingerschmied"Ali übers Ohr gehauen - 8 000 000 TL ( ca 5 € ). Das ärgert mich!

Am Flughafen trifft uns fast der Schlag: massenhaftes Aufkommen von Touristen! Mit unserem Flug klappt trotzdem alles hervorragend und pünktlich steigen wir in den Alphajet, der uns heil und gesund nach München bringt. An die 1°C Außentemperatur und den Schneeregen müssen wir uns erst gewöhnen.

Ein herrlicher "Sommer"Urlaub bleibt uns allen in Erinnerung. Der Wind hat uns zwar oft im Stich gelassen, aber das war für uns Einsteiger auf der INSIDER genau richtig. Das Revier ist wunderschön und eine Wiederholung sicherlich lohnenswert, wenn es nicht so schwierig wäre in den Herbstferien Flüge dorthin zu bekommen!



Andrea